Panorama von Grävenwiesbach

Ev. Kirchengemeinde Grävenwiesbach

Evangelische Kirche zu Grävenwiesbach

Das Gebäude – Ein visionäres Kleinod

Die größte Dorfkirche in weiter Umgebung, wurde als Zentralkirche des Kirchspiels Grävenwiesbach durch den Schlossbaumeister der Fürsten von Nassau-Usingen Friedrich Joachim Stengel (1694-1787) in den Jahren 1737/38 erbaut. Anstatt in jedem Ort eine eigene Kirche zu errichten, setzten die Baumeister auf Vernetzung und Kooperation zwischen den einzelnen Ortschaften. Ein Thema, das in den nächsten Jahren für alle Gemeinden im Usinger Land anstehen wird.

Zum Kirchspiel Grävenwiesbach geören Grävenwiesbach und seine Ortsteile Heinzenberg, Hundstadt, Laubach, Mönstadt und Naunstadt. Zum Kirchspiel dazugehörig ist Hasselborn als Ortsteil der politischen Gemeinde Waldsolms im Lahn-Dill-Kreis.

Grundriss

In protestantischem Bewusstsein schuf Stengel ein klassizistisches Bauwerk, das einen betont nüchternen und weltlichen Charakter hat.

Das typische wuchtige Querschiff mit dem vorgebauten Mittelrysaliten. Der Kirchturm steht an einer Längsseite des Kirchenschiffes, das als Querschiff ausgeführt ist.

Die Kanzel ist direkt über dem Altar angeordnet. Diese Anordnung ist symbolisch für den protestantischen Glauben: Das Wort – die Wortverkündigung von der Kanzel aus, steht über den Sakramenten – den Handlungen am Altar.

Die schmucklosen Fenster mit hellen, einfachen Scheiben lassen viel Licht in die Kirche fallen – gerade zur Gottesdienstzeit am Sonntagmorgen um 10.00 Uhr scheint die Sonne direkt auf die Front mit dem Hauptportal. Gleichzeitig geben die Fenster dem Gläubigen den Blick frei in Heimat und Natur. Der Baumeister gibt damit der „Kirche in der Welt Gottes und für die Welt Gottes” Ausdruck.

Ein ähnlicher Grundriss findet sich in vielen Kirchen des Schlossbaumeisters Stengel:

Renovierung

Die letzten Renovierungen der Kirche (außen: ~1970, 1988, 2009, Dacherneuerung in altdeutscher Schieferdeckung: 2009; innen: ~1969, Holzbalustrade und Bänke 1995, 2013 in Farben und Stil des Erstanstrichs) wurden in Farbe und Gestaltung dem Willen des Erbauers gerecht: Weder Bilder noch Verzierungen sollen den Gottesdienstbesucher ablenken. 

Orgel

Die Orgel in der evangelischen Kirche Grävenwiesbach wurde 1750 durch Johann Christian Köhler erbaut.

Johann Christian Köhler (*1714 in Groß Rosenburg bei Magdeburg, †1761 in Reisdorf bei Jena) war ein Schüler des Darmstädter Orgelbauers Johann Conrad Wegmann, dessen Werkstatt er übernahm. 1740 wurde der Firmensitz nach Frankfurt am Main verlegt.

Der Vertrag über den Orgelneubau in Grävenwiesbach wurde am 16.03.1750 geschlossen: es sollte ein Werk aus 13 klingenden Registern, verteilt auf ein Manual und Pedal gebaut werden. Dazu als Bildhauerarbeit Blindflügel und zwei Engel mit Trompeten.

Der Köhler-Prospekt ist bis heute erhalten und steht unter Denkmalschutz. Der große Mittelturm wird flankiert von je einem zwei-etagigen Flachfeld, dem sich ein Spitzturm in gleicher Höhe anschließt. Den Abschluss bildet je ein kleiner Rundturm, alle Felder und Türme enthalten sieben Pfeifen.

Die neue Orgel

Die neue Orgel wurde von 1961-63 durch die Orgelbaufirma Günter Hardt und Sohn aus Möttau gebaut, die in der Tradition der Orgelbaufamilie Raßmann steht.
Der damalige Pfarrer Otto Brück schrieb dazu: „Am 3. November 1963 wurde unsere renovierte, aber eigentlich neue Orgel ihrer Bestimmung übergeben. Orgelbauer Hardt aus Möttau hat sie mit besonderer Liebe gebaut. Fachleute haben sie für ein Meisterwerk erklärt. Sie ist zurzeit das vollkommenste Orgelwerk im Dekanat“.

Die letzte Renovierung der Orgel erfolgte 1996 durch die Orgelbaufirma Hardt. Hierbei wurde die Orgel gereinigt, ein hinter der Orgel befindliches Fenster abgedichtet und ein Gehäuse über dem Pedal und Hinterwerk eingebaut. Die Zusatzlade (letzte Oktave des Hauptwerks) wurde versetzt und ein mit Leinwand bespannter Staubrahmen als Rückwand des Obergehäuses angebracht. Die Registratur wurde nach herkömmlicher Bauart erneuert und Trocknungsschäden in den Windladen beseitigt.

Technische Daten

I. MANUAL C-f3 (54 Tasten)
1. Principal 8´
2. Gamba 8´
3. Rohrflöte 8´
4. Oktave 4´
5. Kleingedackt 4´
6. Quinte 2 2/3´
7. Oktave 2´
8. Mixtur 1 1/3´ 3-4f.
9. Scharff 1´ 3f.
10. Trompete 8´

II. MANUAL C-f3 (54 Tasten)
11. Gedackt 8´
12. Principal 4´
13. Waldflöte 2´
14. Sifflöte 1´
15. Terzian 2f. 1 1/3´+ 1 3/3´
16. Krummhorn 8´
17. Tremulant

PEDAL C-f1 (30 Tasten)
18. Subbass 16´
19. Oktavbass 8´
20. Choralbass 4´
21. Mixtur 2´ 5f.
22. Posaune 16´

Mechanische Schleifladen, vorderspielig, drei Koppeln als Fußhebel.
Denkmalgeschützt: Prospekt, Hauptwerk-Windlade von 1750.

Glocken

Der 36 Meter hohe Turm trägt vier Glocken.

Von den Glocken gibt es nur wenige überlieferte Berichte.

Ein Artikel steht in der Festschrift vom alten Lehrer Rudolf Hardt, der sich etwas abgewandelt auch in einem Buch über den Taunus-Sagenschatz wiederfindet.

Hier können Sie sich das Glockengeläut anhören (Aufgenommen am 30.04.2011).

Die nicht belegbare Geschichte besagt, dass die Grävenwiesbacher, nach dem Bau ihrer Kirche, aufgerufen waren für die Glocken der neuen Kirche alles Metall zu spenden. Die Sage berichtet, dass, als das Metall nicht reichte, die zurückgekehrte Tochter des ehemaligen Dorfpfarrers Philipp Reinhard Schlosser – eine verheiratete Gräfin von Greiffenberg – alle goldenen und silbernen Gefäße dazugab. Und so konnte der Glockengießer aus Hungen den Guss vollenden.

Im Ersten Weltkrieg wurden von der Grävenwiesbacher Gemeinde die Glocken gefordert.

In der Festschrift zum 250 jährigen Bestehen der Kirche war über die Glocken zu lesen: „So müssen auch wir zwei Glocken hergeben. Die große Glocke 1900 gegossen mit der Inschrift „Ehre sei Gott in der Höhe“ und die kleine Glocke 1910 gegossen „Bittet so wird Euch gegebe“ wurden herabgeholt und fortgeschickt. Dazu die Prospektpfeifen der Orgel. Sie werden dem Vaterland in seiner Not geopfert. Das Reich zahlt dafür 5.300 M. Diese Summe wird in Kriegsanleihe ausbezahlt. Nun besitzt die Kirche noch eine Glocke, die mittlere. Sie wird jetzt mit der kleinen Glocke der Zivilgemeinde, die im oberen Turm angebracht ist, geläutet bis wieder bessere Tage kommen und das Geläute wieder ergänzt werden kann …“

Ab 1927 waren schließlich vier Bronzeglocken in der Kirche Diese wurden allerdings 1941, also schon nach zwei Jahren seit Kriegsbeginn des Zweiten Weltkrieges, wieder abgeholt und eingeschmolzen.

1948, am 03. Advent (12.12.48) – 210 Jahre nach der Einweihung der Kirche wurden der Gemeinde wieder vier Glocken übergeben und erklangen im Gottesdienst.

Pfarrer Otto Brück sagte in seiner Predigt damals: „Sie sind zwar nicht wie ihre früheren Schwestern aus dem ehernen Metall der Bronze, sondern aus dem einfacheren Stahl, … … haben auch ihre Namen: Glaube, Hoffnung, Liebe. … Die Glocke des Gebets ist die vierte …“

Und diese Glocken ertönen auch heute noch zu jedem gottesdienstlichen Anlass in unserer Kirchengemeinde.

Außenanlage

Die 1995 im Rahmen der Dorferneuerung erfolgte Renovierung und Neugestaltung der Außenanlage orientierte sich am klassizistischen Baustil.

Eine Sanierung der Wege erfolgte 2023.