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Ev. Kirchengemeinde Grävenwiesbach

Albrecht Fietz auf Pixabay

Das Ende des Zorns – Predigt vom Sonntag Lätare

Pfr. Till Schümmer, 19. März 2023
Erwachsene
Gottesdienst

Am Sonntag Lätare, dem kleinen Osterfest, ging es in der Predigt um einen Text aus dem Buch des Propheten Jesaja. Es ging um Zorn, um Gnade und um Gottes Frieden. Das Skript der Predigt mag vielleicht dazu anregen, in dieser Woche genau auf die inneren Zornesregungen zu achten – und einen anderen Umgang damit zu suchen.

Lesen wir zunächst den Abschnitt aus dem 54. Kapitel des Propheten Jesaja.

Jesaja 54, 7-10

7Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln.
8Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser.
9Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will.
10Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.

Die Worte klingen nach und ich spüre die Kraft dieser innigen Beziehung. Es ist diese Beziehung zwischen einem fürsorglichen Gott und seiner Familie. Doch wird diese Beziehung nicht in rosaroten Farben beschrieben.

Es menschelt zwischen Gott und seinem Volk. Da war er nur kurz weg, weil er es für einen Moment nicht mehr mit ansehen konnte, wie die Menschen sich das Leben gegenseitig zur Hölle machen.

Zorn und Wut kam in Gott auf. Ich stelle mir vor, wie die Tür knallt und in der Familie für einen Moment Abstand nötig ist. Denn die Geduld wurde wahrscheinlich wieder einmal überstrapaziert. Die Regeln des Miteinanders wurden mal wieder mit den Füßen getreten. Ja, so etwas kommt in den besten Familien vor.

Und ganz ehrlich: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott frei von Wut ist, wenn er in unseren Tagen sieht, wie Menschen andere Menschen auf den Schlachtfeldern der Krieg abschlachten. Wenn sie in ihrem Hunger nach Überfluss die Schöpfung mit Füßen treten und alles aus dem Gleichgewicht gerät. Wenn in der Familie jeder Funken von Respekt verloren geht. Wenn unter Nachbarn die Fetzen fliegen.
Dann kocht die Wut in einem und es knallen die Türen.

Doch Wut ist kein guter Berater. Das wissen wir und das weiß Gott. Spätestens seit der Geschichte mit Noah, als Gott in seiner Wut das Leben auf der Erde fast vollständig ausgelöscht hat. Das ist die alte Geschichte von der fast unkontrollierten Wut Gottes. Und es ist zugleich die Erklärung dafür, warum Gott seit diesem globalen Wutausbruch seine Wut im Zaum hält. Denn für Gott kommt es seitdem nicht mehr in Frage, dass die Menschen mit Gewalt von ihren Irrwegen abgebracht werden. Gott hat geschworen, sich nicht vom Zorn überwältigen und die Schöpfung nicht aus Wut kurz und klein zu schlagen.

Gott kommt nicht mit starker zorniger Faust, um die Kriegsparteien kurz und klein zu schlagen. Er kommt nicht als mächtiger Weltenbeherrscher, um mit der Faust auf den Tisch zu schlagen und ein großes Basta zu rufen. Er schickt keine weiteren Waffen in den Konflikt des Lebens, weil er das Schlachten und Morden Leid ist.
Sein Werkzeug ist ein anderes: Er kommt mit unendlicher Geduld und mit dem Bund des Friedens. Es ist die Geduld eines Vaters, der seine Töchter und Söhne liebt. Dieser Vater bekommt hin, was wir selbst oft nicht schaffen. Er hält seinen Zorn im Zaum, atmet tief durch und versucht es aufs Neue mit uns.

Ich habe den Eindruck Gott tut all das, damit wir in Ruhe von ihm lernen. Damit wir den eigenen Zorn und die eigene Wut ablegen können. Damit wir erfahren, wie Frieden sein kann, um selbst zu Friedensstifterinnen und Friedensstiftern zu werden.

Und dann sagt Gott: „Meine Gnade soll nicht von dir weichen.“ Ich werde nicht darauf bestehen, dich für alle deine Fehler zu bestrafen, sondern ich will dir Gnade versprechen.

Ich spüre, wie gut mir dieses fast vergessene Wort „Gnade“ tut. Denn es spricht von Liebe anstelle von Zorn. Es spricht von einem Neuanfang anstelle von Strafe. In einer Gnadenlosen Zeit wie der unseren, tut es gut, sich an die Gnade Gottes zu erinnern.

Gott zeigt sich als gnädiger Gott und trägt die Trümmer unseres Scheiterns aus dem Leben. Wo das geschieht, ist ein neuer Anfang möglich, ganz egal, wie verfahren die Situation auch war.

Wir brauchen einen Neuanfang nach den Kriegen unserer Tage – frei vom Zorn auf die Kriegsgegner. Daran erinnert der Bund mit Noah. Die Gnade, die Gott darin zeigt, richtet sich nicht nur an ein Volk, sondern an alle Menschen. Mit Gottes Frieden können sie den ersten Schritt machen.

Auf so einen Neuanfang dürfen wir uns einlassen: Es ist ein Neuanfang nach unserem vernichteten Umgang mit der Natur – frei vom Zorn auf die Lebensweisen der alten weißen Männer. Ein Neuanfang, in dessen Zentrum das Leben steht, der Wechsel von Saat und Ernte, von Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Es ist ein Neuanfang nach dem letzten großen Streit in der Familie. Ein Anfang, der es schafft, was war für eine Moment hinter das treten zu lassen, was in der Familie sein kann – getragen von einem Bund des Friedens.

An Ostern wird dieser Neuanfang in der Auferstehung ein Gesicht bekommen: Das Gesicht Christi. Christus wird frei von Zorn und Hass sein und damit die Mächte des Todes in ihre Schranken weisen. Damals genauso wie in den Tagven, die kommen werden.

Am kleinen Ostern, dem Sonntag Lätare, darf dieser Neuanfang schon in uns anbrechen. Wir dürfen auf Gottes Frieden vertrauen, selbst gnädig mit anderen und mit und selbst sein und uns auf den Weg des Friedens begeben.

Uns so wird Gottes Frieden, der all unsere menschliche Vernunft und Logik übersteigt, unsere Herzen und Sinne bewahren in Jesus Christus, unserem Herrn und Bruder.

Amen.